Die Magglinger-Protokolle im «Das Magazin» vom 31. Oktober sind schockierend, aber leider nicht überraschend. Die beiden Autoren Christoph Gertsch und Mikael Krogerus zeigen minuziös ein ganzes System psychischer Gewalt im Spitzensport auf. Im Schweizer Spitzensport. Möglich machen dies acht Athletinnen, die ihr Schweigen brechen. Das kann ihnen nicht hoch genug angerechnet werden.

Es ist ein totales Versagen, das hier beschrieben wird, denn die Verantwortung gegenüber den Turnerinnen wurde auf mehreren Stufen nicht wahr genommen. Das Erschütternde daran: seit über zehn Jahren liegen diese Erniedrigungen der Mädchen und jungen Frauen auf dem Tisch. Mir ist der Hilfeschrei von Ariella Kaeslin und drei Kolleginnen im Jahr 2007 noch in Erinnerung.  Die Kunstturnerinnen wehrten sich gegen dauernde Erniedrigungen ( «fette Kuh») ihres damaligen Natonalcoaches. Nach dem Rücktritt schrieb sich die Europameisterin ihre Geschichte im Buch «Leiden im Licht» von der Seele. In Sportkreisen haben mehrere Leute die Europameisterin  damals als Nestbeschmutzerin hingestellt. Denn was nicht sein darf im Schweizer Sport das gibt es auch nicht.

2013 geriet die Rhythmische Sportgymnastik in den Focus. Auch da nicht zum ersten Mal. Details schildern einige Athletinnen im Magazin-Artikel:  Es ist ein System von psychischen Misshandlungen. An der WM 2018 mussten zwei Athletinnen trotz Verletzungen (Knochensplitter,Zyste im Fuss, angerissene Bänder) antreten. In all den Jahren gab es immer wieder Beteuerungen des Schweizer Turnverbandes STV, «das Wohl der Athletinnen liege dem STV am Herzen».  Meist ging die Führung (zumindest vorerst) auf Tauchstation, man entliess einen Trainer, danach lief alles weiter wie gehabt.  Wie alleine und verraten müssen sich die Kinder und Jugendlichen jeweils gefühlt haben?

Bleibt zuhoffen, dass man jetzt, nach mehr als zehn Jahren, nicht mehr zur Tagesordnung übergeht. Nach diesem Artikel kann sich kein Funktionär mehr verstecken. Spätestens jetzt. Der Schweizer Sport muss auf allen Ebenen seine Verantwortung wahrnehmen, auch personell. Und es braucht endlich eine zentrale und unabhängige Meldestelle. Damit Mädchen und junge Frauen ihren Sport mit Freude und im geschützten Rahmen ausüben können.  

 

 

Foto: Drew Dempsey

Susy Schär

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